Re: Pinching und Äthermodell


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Geschrieben von herschel am 29. November 2004 16:10:59:

Als Antwort auf: Re: Pinching und Äthermodell geschrieben von Gabi am 29. November 2004 11:50:14:

Hi Gabi,

Wenn du dich mit der Anwendung von Synchrotronstrahlungsquellen auskennen solltest, wird bekannt sein, dass Elektronenstrahlen tendenziell auseinanderlaufen. So wird es zweifellos auch dem Strahl von Kautz-Vella totz Pincheffekt ergehen. Ob du relativ zum Elektronenenstrahl in Ruhe bist oder nicht, vermag dieses Schicksal nicht zu verändern. Ansonsten müsstest du ein Fremdfeld einbringen, um den Strahl periodisch zu fokussieren. In der Praxis erfolgt dies mittels Quadrupolfeldern (magnetische Linsen), die nebst Undulatoren und Wigglern in den Speicherring eingebaut werden. Wer sich mit angewandter Physik befasst weiss auch, dass es zusätzlicher Korrekturmagnete bedarf, um einen gebündelten Elektronenstrahl auf längeren Strecken im Vakuum zu erhalten. Ein Blick nach BESSY II oder SLS wäre bestimmt für manche lehrrreich. Literatur der Experimentalphysik ist im vorliegenden Kontext anstelle spekulativer Elemente zu empfehlen.

Dass gerade die von dir verschmähte SRT Einsteins hierin ihre Gültigkeit behält, erkennt man daran, dass die Bunches im Speicherring in Bewegungsrichtung verkürzt erscheinen gemäss dem Multiplikator 1/gamma. Allerdings würden sie das auch nach der älteren Lorentztheorie, wo ein ruhender Aether postuliert wurde.

Das Problem mit dem ruhenden Aether ist nur: Bisher konnte ein solches Medium nicht nachgewiesen werden. Und ohne empirische Grundlage bleibt es weiterhin spekulativ. Hierin hat der dsp-Diskuttant Andi sicherlich nicht unrecht:

"Das grosse Verdienst der Relativitätstheorie liegt in einem Faktum begründet, das den Namen der Theorie als unglücklich erscheinen lässt: Nämlich die Naturgesetze in einer Form zu beschreiben, die für alle Beobachter gleich sind, unabhängig vom Bezugssystem."

Die lorentzsche Aethetheorie vermag solches nicht und muss sich zahlreicher ad hoc Hypothesen und mathematischer Kunstgriffe bedienen wie zB. der Ortszeit. In diesem Zusdammenhang erscheint es mir äusserst sinnvoll, was Prof. Sexl zur Polemik Lorentz versus Einstein anmerkt:

Vom Standpunkt des Physikers können wir das Ergebnis noch anders sehen: Grundlegend für jede Theorie sind die in ihr enthaltenen Symmetriegruppen. Diese Symmetriegruppen ermöglichen es nämlich, Ergebnisse zu verknüpfen, die in verschiedenen Systemen, von verschiedenen Beobachtern oder zu verschiedenen Zeiten gewonnen wurden. Die zahlreichen Verknüpfungen, die sich aus der Gruppen-Struktur ergeben, gehören zu den wichtigsten Prognosen der Theorie. Diese Prognosen sind wegen ihrer Stringenz einer Falsifikation besonders leicht zugänglich. Vom Standpunkte Poppers her sind deshalb Theorien mit Invarianzgruppen anderen Theorien wegen ihrer Falsifizierbarkeit wesentlich überlegen.

Ein lehrreiches Beispiel für diese Überlegungen bietet die Geschichte der Relativitätstheorie. In den Äthertheorien gab es zwar keinen ausgezeichneten Raumpunkt, aber eine ausgezeichnete Geschwindigkeit, also ein ausgezeichnetes Bezugssystem, nämlich jenes, in dem der Äther ruht. Inwieweit der Ätherwind, den eine Bewegung durch den Äther hervorrufen sollte, die Versuchsergebnisse beeinflusste, war eine Frage, die vor allem experimentell zu lösen war. Deshalb versuchten auch zahllose Experimente auf unterschiedlichen Grundlagen die Bewegung der Erde durch den Äther festzustellen. Der negative Ausgang all dieser Experimente konnte in der Äthertheorie jedes Mal durch eine geeignete Modifikation der Grundgleichungen, wie beispielsweise durch den Einbau der Lorentzkontraktion, widerspruchsfrei gedeutet werden. Doch hätte auch jedes positive Ergebnis dieser Versuche innerhalb der Äthertheorie eine zufrieden stellende Erklärung finden können.

Während Äthertheorien deshalb nur schwer zu falsifizieren sind, ist die Lage in der speziellen Relativitätstheorie völlig verändert.

Hier scheidet der Äther als Element der Theorienbildung aus und eine viel größere Symmetriegruppe, die Lorentzgruppe, charakterisiert den Aufbau der Theorie. Nunmehr folgt notwendig, dass ein Experiment die Bewegung der Erde durch den - nicht existenten - Äther bestimmen kann und es folgt ebenso notwendig, dass deshalb der Ausgang jedes Experimentes unabhängig von der Geschwindigkeit sein muss, mit dem sich das betrachtete Labor bewegt. Hier findet nunmehr der negative Ausgang aller Experimente, die sich die Bestimmung der Erdbewegung im Äther zum Ziel gesetzt haben, eine überzeugende Erklärung. Doch wäre ein positiver Ausgang der Experimente mit der Theorie völlig unverträglich und würde eine Falsifizierung ihrer Grundlagen bedeuten.

Daher ist die Relativitätstheorie der Äthertheorie von einem wissenschaftstheoretischen Standpunkt her überlegen.


mfg, herschel




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