Re: Pinching und Äthermodell


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Geschrieben von herschel am 30. November 2004 00:32:00:

Als Antwort auf: Re: Pinching und Äthermodell geschrieben von Dirk am 29. November 2004 17:38:06:

Hallo Dirk !

>Hier findet nunmehr der negative Ausgang aller Experimente, die sich die
>Bestimmung der Erdbewegung im Äther zum Ziel gesetzt haben, eine überzeugende
>Erklärung.

Wenn ich dich richtig verstehe, denkst du, dass mittels angegebener Test's der Nachweis zumindest des Lichtäthers möglich sei.

1. Der Lense-Thirring-Effekt ist eine Folgerung aus den Einsteinschen Feldgleichungen. Mitgeschleppt wird durch eine rotierende Masse die Raumzeit. Von Aether keine Spur; es sei denn, dass man die Raumzeit als Aether deklariere.

2. Der Sagnac-Effekt ist KEIN eindeutiges Indiz für einen Aether. Was wird bestimmt ausser der Messung von Winkelgeschwindigkeiten? Ein historisches Analogon zum Sagnac-Interferometer wäre das Foucault'sche Pendel; auch dieses erlaubt den Nachweis einer (absoluten) Rotationsbewegung im Raum. Die Existenz eines Aethers ist dazu weder zwingend erforderlich noch a priori in Abrede zu stellen.

Exkurs: Die SRT befasst sich mit Inertialsystemen (IS). Um die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit für jedes IS zu erhalten, wird die Lorentztransformation eingeführt (ansatzmässig bereits von Hendrik A. Lorentz). Diese Transformation ersetzt gewissermassen den Lorentz'schen Aether durch einen mathematischen Formalismus (ohne die Voraussetzung eines absoluten Raumes). Der Aether als solcher wird durch Einstein nicht verworfen (!), erhält aber in der ART eine gänzlich neue Bedeutung (Rede Einsteins an der Reichsuniversität Leyden).

Nach der allgemeinen Relativitätstheorie ist der Raum mit physikalischen Qualitäten ausgestattet; es existiert also in diesem Sinne ein Äther. Gemäß der allgemeinen Relativitätstheorie ist ein Raum ohne Äther undenkbar; denn in einem solchen gäbe es nicht nur keine Lichtfortpflanzung, sondern auch keine Existenzmöglichkeit von Maßstäben und Uhren, also auch keine räumlich-zeitlichen Entfernungen im Sinne der Physik. (A. Einstein, 1920)

Obwohl sich in IS wegen der "Gleichberechtigung der Bezugssysteme" keine absoluten Bewegungen ausmachen lassen, gilt dies nicht für Rotationsvorgänge (eine rotierende Scheibe ist kein IS, weil Zentrifugal- und Corioliskräfte auftreten).


Originalskizze von Georges Sagnac (1913)

Sagnac deutete die Interferenzmuster bei drehender Apparatur als Indiz eines Lichtäthers. Aber dafür gibt es auch eine überaus simple Erklärung:

Befindet sich der Apparat in Ruhe, sind die Wege beider Strahlen gleich lang, so dass am Detektionsort konstruktive Interferenz auftritt. Dreht sich der Appart um seine vertikale Achse, ist der optische Weg beide Teilstrahlen nicht mehr gleich lang, weil sich während der Zeit, die das Licht für einen Umlauf benötigt, der Strahlteiler bereits ein Stück weiter gedreht hat. Unweigerliche Folge ist eine Verschiebung der Interferenzstreifen. Aber dies hat mit einem Aetherfluss gar nichts zu tun. Gleiches lässt sich m.E. zum Faserkreisel und zum Ringlaser sagen.

Offene Frage bleibt für mich nur noch das (zweifelhafte) Ergebnis der Interferometerversuche von Michelson, Morley und Dayton C. Miller:

1881 in Potsdam: Versuch von Morley, noch mit konstruktiven Mängeln behaftet. Das Ergebnis entspricht nicht den Erwartungen einer "Aetherdrift" von 30 km/s (obwohl sich aus der Streuung der Messwerte eine gewisse Tendenz ablesen lässt).

1887 in einem Kellerraum in Cleveland: Wiederholung des Versuches durch Michelson und Morley mit einem verbesserten Instrument. Ergebnis 8.8 km/s, weit entfernt vom erwarteten Wert, so dass Michelson aus Enttäuschung von einem Nullresultat spricht.

1902/1903 in einem Kellerraum des "Case School of Applied Science": Morley und Dayton Miller führen eine wesentlich verbesserte Versuchsvariante durch. Ergebnis 10 km/s.

1904 in Cleveland Hights: Versuch von Morley und Miller. Ergebnis 7.5 km/s.

1905 in Cleveland Hights in 285 m über Meereshöhe: Versuch von Morley und Miller. Ergebnis 8.7 km/s.

1913 in Paris: Versuch von Sagnac mit einem horizontal rotierenden Interferometer. Ergebnis: eine deutliche Verschiebung der Interferenzstreifen (in Abhängigkeit der Winkelgeschwindigkeit).

1921 auf dem Mount Wilson in 1750 m Höhe: Versuch von Miller. Ergebnis 10 km/s.

1924 auf dem Mount Wilson: Versuch von Miller. Ergebnis 10 km/s.

1925/1926 auf dem Mount Wilson: Versuch von Miller. Ergebnis 9.3, 10.1, 11.2, 9.6 km/s.

Die Fluktuationen der "Aetherdrift" deuten (bei vorauszusetzender Eliminierung aller als Messfehler zu verstehender Abweichungen) auf die Existenz eines noch unerkannten Hintergrundfeldes hin; aber dazu müssten weitere Test's erfolgen.

mfg, herschel




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