Re: Lest mal zwischen den Zeilen ;)


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Geschrieben von herschel am 20. Juli 2004 19:07:09:

Als Antwort auf: Re: Lest mal zwischen den Zeilen ;) geschrieben von Dirk am 20. Juli 2004 11:23:33:

hallo VDX, hallo Dirk:

Sollte Einstein tatsächlich von einem "Führungsfeld" gesprochen haben (was jedoch nicht als gesichert gilt, aber zumindest möglich ist) hat er damit kaum den Aether gemeint. Denn aufgrund seiner Rede in Leiden (1920) hat er explizit die Wiedereinführung eines (nichtlorentzschen) Aethers gefordert. Allerdings ohne auf grosses Gehör zu stossen. Es ist deshalb wenig wahrscheinlich, dass er statt dessen plötzlich von einem Führungsfeld spricht.

Richtig hingegen ist der Umstand, dass Maurice de Broglie den Begriff des Führungsfeldes verwendete und zwar im Zusammenhang mit der Welle-Teilchen-Problematik des Lichtes. Lichtquanten werden nach de Broglie als Teilchen mit echtem Spin und einer von Null verschiedenen (wenn auch verschwindend kleinen) Ruhmasse betrachtet. Im Unterschiede zur Schulphysik, die den Photonen die Ruhmasse abspricht. Die Polarisation des Lichtes beruht nach der Photonentheorie de Broglies auf den Spineigenschaften des Photons.

In drei kürzeren Arbeiten (1923) sowie der Doktorarbeit (1924) wurden die Thesen veröffentlicht. Bekannt geworden ist de Broglie aber vorwiegend durch den Begriff der Materiewelle, lamda = h/p. Unterschiedliche Wörter wie Phasenwelle, Materiewelle und Führungswelle lösen einander ab. Aber völlig richtig werden die prinzipiellen Unterschiede zwischen Phasen- und Gruppengeschwindigkeit einer Welle erkannt. Insgesamt ist ihm damit ein neuer Zugang zur Mechanik und Optik gelungen, welcher in den späteren Arbeiten von Bohm seine Fortsetzung fand. Allerdings wird auch die Bohmsche Mechanik vom Mainstream mehr oder weniger herablassend behandelt.

Die Grundidee dieser Theorie war, daß es neben der regulären Lösung der Schrödingergleichung noch eine weitere Lösung u geben müsse, die dort eine Singularität besitzt, wo sich das Teilchen befindet. Dann würde die Schrödingerwelle nicht nur die ihr durch Born zugeordnete statistische Bedeutung haben, sondern auch alle theoretisch denkbaren Bahnen des Teilchens repräsentieren, während die Lösung u die individuelle Bewegung eines Teilchens darstellen würde. De Broglie postulierte, daß beide Wellen in Phase sein müßten und daß sich die Singularität in der Richtung ausbreite, in der die Phase am schnellsten anwachse. Diese Beziehung nannte er „Gesetz der Führung“.

Quelle: 'Louis de Broglie und die Quantenmechanik', Henning Sievers (1998)

Für die Geschwindigkeit des geführten Teilchens im nicht-relativistischen Bereich gilt dabei die sog. Führungsformel:

v = -1/m grad phi

Unbestritten ist, dass de Broglie enge Kontakt zu Einstein unterhielt, welcher in ihm einen Verbündeten gegen die "Quantenphysiker" sah. 1951 kam de Broglie mit der Bohmschen Quantenmechanik in Berührung, in welcher er seine Führungswellentheorie wiederfand. Damit vollzog sich der irreversible und endgültige Bruch gegenüber der Kopenhagener Deutung. Einen Schritt, den Einstein und Schrödinger bereits hinter sich hatten. Und der auch richtig ist: denn die Sonne existiert nicht nur dann, wenn wir hinschauen.

Die Reaktionen der Gegner liessen nicht auf sich warten. Sogar Wolfgang Pauli äusserte sich nach anfänglichem Interesse eher abschätzig über de Broglies Arbeiten. Und gegen die mathematischen Physiker der Heisenberg-Generation vermochte sich die Führungswellen-Theorie nicht durchzusetzen. Das bedeutet jedoch keineswegs, dass das zugrundeliegende Konzept falsch ist. In Bezug auf meinen vorerst rein heuristischen Ansatz für eine erweiterte Lichttheorie liefert sie sogar befürwortende Teilaspekte.

MfG, herschel




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