Ökonomie: Sie verstehen es einfach nicht.


[ Zauberspiegel Wissenschaft Ideenfabrik ]


Geschrieben von Emil am 18. April 2005 16:13:13:


Es ist ein merkwürdiger Befund. Wir leben in einer Geldwirtschaft, die wir selbst erfunden und die wir ganz bewusst so eingerichtet haben, wie sie ist. Und trotzdem scheint kaum jemand das Geld und seine Wirkungsweise richtig zu begreifen. Ich nehme für mich natürlich keinesfalls in Anspruch, ein Weiser zu sein. Doch so simple Fehler, wie man sie dauernd in der Presse liest, dürfen einfach nicht passieren.

Am Dienstag fand sich in der Financial Times Deutschland ein Artikel des Kolumnisten Lucas Zeise mit dem Titel „Der wahrscheinliche Crash“. Zeise behauptet hier, dass es demnächst wahrscheinlich einen Crash an den Märkten geben wird. Seine Argumentation lautet:

„Wenn sich zu viel Geld im Umlauf befindet, gibt es grundsätzlich zwei Lösungen, wie es neutralisiert wird. Das eine ist die Inflation der Güterpreise ... Die andere Möglichkeit ist die Deflation der Asset-Preise. Das in Wertpapieren und Immobilien gebundene Geld würde einfach dahinschmelzen oder entwertet. Ein solcher Crash scheint heute die viel wahrscheinlichere Variante zu sein.“

So sind sie, die heutigen Sugar-Daddys der Finanzmärkte. Sie fühlen sich wichtig und überlegen, haben das Gefühl, alles zu durchsteigen und klüger als die Masse zu sein. Doch das Wissen hält damit nicht Schritt. Ganz entsprechend zum Zeitgeist sind sie voll auf einen populistischen Impressionismus abgefahren. Und sie haben nicht die geringste Ahnung, dass sie keine Ahnung haben. Was ein wirklich explosives Gemisch ist. Denn ansonsten gäbe es keine derartige Crashwarnung, die zudem noch fast wie ein Herbeisehnen wirkt, um die eigene falsche Theorie zu stützen.

Machen wir einen kurzen Grundkurs. Geld kommt dadurch in Umlauf, indem Zentralbanken Aktiva dauerhaft ankaufen oder auf Zeit in Pension nehmen – und dafür Geld emittieren. Spiegelbildlich kann daher, wenn „zu viel Geld in Umlauf“ ist, dieses Geld auch nur dadurch wieder aus dem Kreislauf hinaus gelangen, indem die Zentralbank das genaue Gegenteil des eben Beschrieben macht. Das Geld verschwindet aus dem Umlauf, wenn die Zentralbank Assets verkauft oder die Pensionsgeschäfte zurückführt. So einfach kann das manchmal sein.

Doch wie kommt Zeise nun auf seine abweichende Sichtweise, die dadurch noch umso bizarrer ist, indem er behauptet, dass das „zu viele Geld“, was immer das sein mag, sowohl durch Inflation (der Güterpreise) als auch durch Deflation (der Assetpreise) beseitigt werden kann. Eines von beidem geht ja wohl nur. Zeise kommt darauf, weil er verwechselt, dass Assets in Geld bewertet, selbst jedoch kein Geld sind. Ich weiß, dass das schwer zu begreifen ist, schließlich habe ich lange genug an der Uni unterrichtet. Vermögensdeflationen schaffen kein Geld aus der Welt – und Vermögensinflationen bringen kein Geld in die Welt. Sie sind Änderungen der Vermögenspreise und haben mit dem Geldumlauf nichts zu tun. Und für die Bewertung von Vermögen gibt es tausend verschiedene Parameter – von den das Verhalten der Zentralbank nur einer von vielen ist. Geld selbst kommt nur durch Mitwirkung der Zentralbank in Umlauf und auch aus diesem wieder heraus. Keinesfalls jedoch durch die Veränderung der Vermögenspreise.

Den von Zeise geschilderten „wahrscheinlichen Crash“ gibt es also nicht. Er ist ein Hirngespinst, das aus grober Unkenntnis der Funktionsweise einer Geldwirtschaft resultiert. Gleichrangig könnte man auch behaupten, mit der Zufuhr von Vitamin C eine Börsenhausse auszulösen.

B. Niquet





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