Re: Wirkungsgrad


[ Zauberspiegel Wissenschaft Ideenfabrik ]


Geschrieben von MrStupid am 04. Oktober 2005 18:26:41:

Als Antwort auf: Wirkungsgrad geschrieben von Karl Obermoser am 27. September 2005 16:44:11:

>Ich fahre mit 141,4 km/h über eine Landstraße und sehe eine Radarkontrolle.
>Gerade noch rechtzeitig bremse ich auf 100 km/h ab. => Führerschein gerettet. :-)
>Was mich jetzt aber wirklich beschäftigt ist die Frage, mit welchem Wirkungsgrad ich die kinetische Energie meines Autos beim Bremsen in Wärme umgesetzt habe!

Nachdem ich nun einigermaßen erraten habe, worauf Du hinaus willst, versuche ich mal eine, bis auf die grundsätzlichen Unterschiede von kinetischer Energie und Wärme sowie von Geschwindigkeit und Temperatur, vernünftige Analogie zu konstruieren:

Grundsätzlich geht es darum, eine Energie E aus einer Energiequelle mit der Eigenschaft A in zwei Energieformen F und E' zu überführen, von denen E' die gleiche Qualität wie E hat und in eine Energiesenke der Eigenschaft A' abgegeben wird.

Im Falle einer Wärmekraft Maschine ist E die Wärme aus der Wärmequelle, A die Temperatur der Wärmequelle, E' die in die Wärmesenke abgegebene Wärme, A' die Temperatur der Wärmesenke und F die geleistete Arbeit. Der Wirkungsgrad ist in diesem Fall definiert als n=F/E. Er gibt an, wie viel Arbeit F die Wärmekraftmaschine unter den gegebenen Bedingungen bei einer bestimmten Wärmezufuhr E leistet.

Im Falle des bremsenden Autos ist E die kinetische Energie des Autos, A die Geschwindigkeit des Autos, E' die an die Fahrbahn abgegebene kinetische Energie, A' die Geschwindigkeit der Fahrbahn (die sie auch auf einer fahrenden Fähre befinden darf) und F die entstehende Wärme. Da Du den Wirkungsgrad für diesen Fall nicht definiert hast, hole ich das für Dich nach, indem ich die Definition von der Wärmekraftmaschine übernehme: n=F/E. Der Wirkungsgrad gibt hier also an, wie wie Wärme beim Bremsen aus einer bestimmten Menge kinetischer Energie gewonnen wird. Hier gibt es allerdings schon ein Problem: Bei der Wärmekraftmaschine ist die Temperatur der Wärmequelle konstant, während die Geschwindigkeit des Austos sich beim Bremsen verringert. Um dieses Problem zu umgehen, kann ich annehmen, daß das Auto in kleine Teile zerlegt wird, die jedes für sich auf die Geschwindigkeit der Energiesenke abgebremst werden. Das entspricht der Abkühlung einer bestimmen Wärmemenge von der Temperatur der Wärmequelle auf die Temperatur der Wärmesenke bei der Wärmekraftmaschine.

Damit sind die Voraussetzungen geschaffen, um uns in beiden Fällen Gedanken über den maximal erreichbaren Wirkungsgrad zu machen. Da ich hier schlecht Experimente durchführen kann, werde ich das Ganze auf grundlage des 1. und 2. Hauptsatzes berechnen. Wer die Hauptsätze für falsch hält, dem kann ich auch nicht helfen. Er muß das Ganze dann halt ausprobieren:

Aus dem ersten Hauptsatz folgt in beiden Fällen E = F + E'. Der zweite Hauptsatz besagt, daß die Prozeßentropie positiv oder zumindest Null sein muß. Aus der Definition der Entropie in der klasischen Thermodynamik

dS = dQ/T

folgt für die Prozeßentropie der Wärmekraftmaschine

dS = E'/A'-E/A >= 0

Die Substitution mit dem ersten Hauptsatz ergibt

(E-F)/A'-E/A >= 0

und daraus folgt

n = F/E <= 1-A'/A

Das ist der Carnotsche Wirkungsgrad.

Beim Abbremsen beträgt die Prozeßentropie

dS = F/T

Die Temperatur ist zwar nicht bekannt, aber da sie nach dem 3.HS immer positiv ist, steigt die Entropie mit der erzeugten Wärme. Es gilt also auf jeden Fall

dS > 0

so daß der Wirkungsgrad nicht durch den 2.HS begrenzt ist. Es gibt aber einen Zusammenhang zwischen A und E. Es gilt

E = k·A² bzw. E' = k·A'²

so daß mit dem 1.HS

k·A² = F + k·A'²

gilt, was zum Wirkungsgrad

n = F/E = 1-A'²/A²

führt. Für A'=0 (die Fahrbahn ruht) ergibt das eine Wirkungsgrad von 1.
(Diese Gleichung gilt allerdings nur, wenn A und A' das gleiche Vorzeichen haben!)

Wenn die Trägheit des Fahrzeugs gegenüber der der Fahrbahn nicht vernachlässigbar ist, wird es noch etwas komplizierter. Dann verändert sich nämlich die Geschwindigkeit der Fahrbahn und gelten die Gleichungen für einen unelastischen Stoß.

Vor dem Stoß gilt für die gesamte kinetische Energie

E0 = (m1·v12+m2·v22)/2

und für den Impuls

p = m1·v1+m2·v2

Nach dem Stoß gilt für die kinetische Energie

E1 = (m1+m2)·v2/2

und für den Impuls

p = (m1+m2)·v

Aus Impuls- und Energieerhaltung folgt für die entstehende Wärme

Q = E0 - (m1·v1+m2·v2)2/(m1+m2)/2

und damit für den Wirkungsgrad der Umsetzung von kinetischer Energie in Wärme

n = 1 - (m1·v1+m2·v2)2/[(m1+m2)·(m1·v12+m2·v22)]

Für v2=0 geht das über in

n = m2/(m1+m2)

und wenn m1 dann noch gegenüber m2 vernachlässigbar klein ist (dann sind wir wieder beim Auto, das auf der Straße bremst), dann wird der Wirkungsgrad wieder 1.

Das Ganze kann man jetzt noch für unvollständig elastische Stöße machen, aber dann wird es noch komplizierter.

Ich hoffe, daß das jetzt verständlich genug war.




Antworten:


[ Zauberspiegel Wissenschaft Ideenfabrik ]