Diese Aussage ist unbeweisbar


[ Zauberspiegel Wissenschaft Ideenfabrik ]


Geschrieben von Emil am 24. November 2007 18:33:42:


Kurt Gödel, der größte lebende Logiker der Welt, vermutlich der größte überhaupt
seit Aristoteles, wurde am 28. April 1906 in Brünn in der Tschechoslowakei
geboren.

Am 1. Juli 1976 trat Gödel in den Ruhestand.

Er hatte 36 Jahre lang ununterbrochen am Institute for Advanced Study, Princeton
zugebracht. Er war dort etwa gleichzeitig mit Einstein und v. Neumann und den
anderen Gründervätern angekommen und hatte sie alle überlebt.

Er war zum Emblem des Instituts geworden, aber die lebendigste Erinnerung der
Alteingesessenen des Instituts ist die an einen ausgemergelten alten
Mann, der allein im schwarzen Mantel und mit Hut daherschlurft.

Am 14. Januar 1978 starb er im Princeton Hospital an Unterernährung und
Auszehrung. Seine Frau Adele starb drei Jahre später; beide sind in Princeton
beerdigt.

J. Dawson brauchte zwei Jahre, um alle sechzig Kästen mit Gödels Nachlaß zu
katalogisieren.

Kurt Gödel nahm die Religion ernst und verlor seinen Glauben an Gott anscheinend
nie, was seine Kollegen am Institut beunruhigte. Gödel soll eine Arbeit über die
Existenz Gottes geschrieben haben - eine Formulierung des sogenannten
ontologischen Arguments -, aber einige der Institutsangehörigen hofften wohl,
Dawson würde sie nicht finden.

"Ich glaube, sie hatten Angst, es würde für Gödel irgendwie peinlich sein", sagte Dawson. "Sie hatten Angst, es wäre ein Beweis dafür, daß er nicht ganz richtig im Kopf war oder so."

Nun, darauf wies bereits vieles hin. Kurt war schon als Kind ein
Hypochonder gewesen. Er war jedoch neugierig und stellte alle möglichen
Fragen nach allem unter der Sonne. Seine Eltern nannten ihn "Herr Warum".

Er immatrikulierte sich 1924 an der Universität Wien als Student der Physik.
Aber die Vorlesungen des Zahlentheoretikers P. Furtwängler beeindruckten ihn
so, daß er zum Hauptfach Mathematik wechselte. Schon als 19jähriger hatte er
eine platonische Einstellung zur Mathematik: Er hatte entschieden, Zahlen und
andere mathematische Größen seien so real wie alles andere in der Welt.

Später im Leben behauptete Gödel, daß sein metaphysischer Platonismus - den
er "Objektivismus" nannte - geholfen hatte, ihn zu seinem Vollständigkeitssatz
und anderen Ergebnissen der Logik zu führen.

Als Kurt Mathematik studierte, waren Mathematiker zu der Überzeugung
gekommen, die Mathematik auf eine sichere theoretische Basis stellen zu können.
David Hilbert sagte dazu 1925: "Was wir zweimal erfahren haben, zuerst mit den
Paradoxien der Infinitesimalrechnung und dann mit den Paradoxien der Mengenlehre, kann kein drittes Mal passieren und wird nie wieder vorkommen."

Die Hauptsache war der Beweis, daß die Mathematik zumindest konsistent ist,
daß in ihren höheren Bereichen nicht etwa Widersprüche verborgen sind.

Eine andere Hauptaufgabe war der Beweis, daß die Mathematik vollständig ist,
daß sie also jedes in ihr auftretende Problem lösen kann.

Hilbert, berühmt als der größte Mathematiker seiner Zeit, war ein unverbesser-
licher Optimist. Er war überzeugt, daß sich alles als richtig herausstellen
würde, wenn man nur genug Arbeit hineinsteckte.

Hilbert hatte natürlich seine eigenen Vorstellungen davon, wie er all das beweisen wollte, und er und seine Anhänger machten bald Fortschritte. Sie hatten das Problem sogar schon fast bearbeitet, sie hatten fast das zerfallende Gemäuer des platonischen Himmels abgestützt... als das Schlimmste passierte, was sich denken ließ.
Wie G. Frege sagte, "brachen die Grundlagen genau dann ein, als das
Gebäude vollendet war". Und wer dahinter steckte, wer die Fundamente des
Eckpfeilers untergrub, war kein anderer als der ruhige, zurückhaltende Kurt
Gödel. Er schlug nicht mit der Axt oder einem Vorschlaghammer zu. Er brauchte
keine Abbruchbirne. Es war eher so, als ob er mit einem kleinen hölzernen
Schlegel abgeklopft hätte, um zu horchen, ob alles in Ordnung sei, und -
hier ist es! - eine kleine Schwachstelle aufgespürt hätte. Und welch
merkwürdiges Geräusch es war!

Gödel beschwor das "Gödeldebakel"(Hermann Weyl) mit seiner 1931 erschienenen
Arbeit "über formal unentscheidbare Sätze der Principia Mathematica und
verwandter Systeme" herauf.
Hier bewies Gödel, daß die Mathematik nicht das allumfassende, allmächtige System ist, das Hilbert und andere sahen. Er sagte vielmehr, das ganze Hilbertsche Unterfangen sei hoffnungslos, denn es gebe Fragen, die sich im Rahmen eines mathematischen Systems stellen lassen und die das System selbst nicht zu entscheiden in der Lage ist.

Um seine Behauptung zu beweisen, konstruierte Gödel eine solche unentscheidbare
Behauptung innerhalb des logischen Systems der Principia Mathematica, ein gewaltiges Werk der mathematischen Logiker B. Rußell und A. N. Whitehead, in denen die Verfasser zu zeigen hofften, wie die ganze Mathematik aus wenigen einfachen logischen Axiomen und Regeln abgeleitet werden kann.

Gödel stellte eine Behauptung auf, die entgegen aller Erwartung im Rahmen des
Systems, in dem sie formuliert wurde, nicht als richtig bewiesen werden konnte.

Der kluge Teil daran war, daß Gödels unentscheidbarer Satz das mathematische
Äquivalent der Behauptung "Diese Aussage ist unbeweisbar" darstellte. Diese
Behauptung ist in der Tat unbeweisbar, aber eben deswegen ist sie wahr:
dies ist eine wahre Aussage, deren Wahrheit unbeweisbar ist.

Die Mathematik, so klang es, schien am Ende zu sein. Trotz allem, was Hilbert
gesagt hatte, stellte sich die Mathematik als notwendig und unausweichlich
unvollkommen und unvollständig heraus. Es war deprimierend.






Antworten:


[ Zauberspiegel Wissenschaft Ideenfabrik ]