Re: Atomreaktor ausgegraben - Alter nur ca. 2 Milliarden Jahre!


[ Zauberspiegel Wissenschaft Ideenfabrik ]


Geschrieben von herschel am 13. August 2004 03:03:50:

Als Antwort auf: Atomreaktor ausgegraben - Alter nur ca. 2 Milliarden Jahre! geschrieben von Newsy am 12. August 2004 14:53:37:

hallo Newsy:

In aller Kürze: Sehr interessante Links, die du da wieder ausgegraben hast. Insbesondere der Artikel über "historische Konjunktive" ist ein wahre Fundgrube für einen Denker wie mich.

In diesem Zusammenhang müsste man vielleicht die "Viele-Welten-Interpretation" (VWI) der Quantenmechanik von Hugh Everett (1957) genauer inspizieren. Diese postuliert bekanntlich eine universelle Gültigkeit der Schrödingergleichung für geschlossene Quantensysteme ohne einen ultimativen Zusammenbruch der Wellenfunktion (zur populären Verbreitung von Everetts Arbeit hat später vor allem Bryce DeWitt beigetragen):

- "Many-Worlds of Interpretation of Quantum Mechanics" von H. Everett

- "Schrodinger's Rabbits: Entering the Many Worlds of Quantum" von Colin Bruce

Everetts Interpretation des Doppelspaltexperimentes besagt aufgrund der "relativen-Zustand-Formulierung", dass der Kollaps eine Illusion ist. Die Wellenfunktion wir dabei nicht nur als Zustandsbeschreibung eines Quantensystem betrachtet, sondern als das Objekt selbst. Im Unterschied zur "Kopenhagener Interpretation" der QM wird dem Beobachtereingriff keine mystische Bedeutung zugemessen.

Die weitreichenden Konsequenzen dieser Theorie sind, dass jede Beobachtung die Wellenfunktion dazu veranlasst, in unzählig viele nicht miteinander wechselwirkende Welten zu dekohärieren.

Ein Quantensystem besitzt infolge seiner Nichtlokalität stets Verschränkungen, dh. dass aufgrund der Schrödingergleichung die zeitliche Entwicklung in einer Parallelwelt beschrieben werden kann. Aus physikalischer Sicht ist Everetts "many-worlds-interpretation" einfacher als die ad hoc Aussage der Kopenhagener Deutung. Problematisch an der Theorie ist allein die Möglichkeit der Falsifikation, weil wir uns m.E. aus physischer Sicht in nur genau einer aller möglichen Welten real manifestieren.

Die postulierten Parallelwelten stellen in meinen Augen keine wirklichen Welten, sondern Möglichkeiten bzw. Ideenräume (analog zur Heimschen Theorie höherdimensionaler Kontinua) dar, von denen aber nur eine einzige eine reelle Lösung erlaubt. Solches korrespondiert mit der nicht mit der VWI zu verwechselnden "many-minds-interpretation", in welcher sich nicht die Gesamtwelt, sondern lediglich das Beobachter-Bewusstsein (Geist) in einem Ideenraum verzweigt, woraus dann bei genügendem Anstieg der Wahrscheinlichkeitsamplitude (vergleichbar mit dem Aktionspotential einer Nervenzelle) und im Sinne einer kybernetischen Rückkopplung eine reale Manifestationen in der physikalischen Welt erfolgt.

Eine noch radikalere Sicht der multiplen Universen wird von David Lewis vertreten. Zitat:

"Bei Everett verzweigen sich Welten ständig, aber sie verbindet noch eine gemeinsame Vergangenheit. Für Lewis ist der Weltenbaum nur eine Denkmöglichkeit. Daneben gibt es für ihn auch Welten, die zu unserer in keinerlei Verbindung stehen. Das Einzige, was sie mit unserem Kosmos teilen, sei der logische Raum, in dem alles existiert, was möglich ist."

http://www.zeit.de/archiv/1999/44/199944.lewis1_.xml

Es liegt auf der Hand, dass sich aufgrund der Brisanz der Thematik auch "Ghosthunter" wie z.B. Prof. E. Senkowski (bekannt durch die "Instrumentelle Transkommunikation") mit den Aspekten der VWI in Bezug auf das menschliche Bewusstsein befassen:

http://www.buergerwelle.de/pdf/senkowski.pdf

http://www.rodiehr.de/a_24_itk_inhalt.htm#Inhalt

Assoziiert mit der VWI ist auch das "Holomovement", welches insbesondere durch die Bohmsche Mechanik bekannt wurde. Bohms "implizite Ordnung" kann als Fortsetzung der Führungswellen-Theorie von deBroglie bzw. dessen Quanten-Potential verstanden werden. In der Bohmschen Holowelt befindet sich der Beobachter gewissermassen in einer fraktalen Teilmenge (Mandelbrotset), dh. er sieht nie das Ganze zugleich, aber dafür einen Teil im Ganzen (wie bei einem Hologramm auch). Genauer gesagt, ist der Beobachter ein unverzichtbarer Teil des Ganzen.

http://www.wissenschaft.de/wissen/hintergrund/203724.html

Solches wäre für die VWI wiederum von Bedeutung, weil jedem Punkt in der komplexen Zahlenebene ein präzise definierter realer Zahlenwert zuordnungsbar ist. Dh. dass aus der unendlichen Menge aller Möglichkeiten - welche permanent durch den Imaginäranteil generiert wird - genau ein reeller Wert von physischer Bedeutung ist. Die Menge der zeitlich sequentiellen Anteile eines Subsystems ergäbe dann in der Sprache der Relativitätsphysik eine Weltlinie. Alle Weltlinien miteinander bildeten dabei die Welt bzw. das quantisierte und dynamische Welttensorium der Heimschen "strukturellen Quantenfeldtheorie" (und damit im wahrsten Sinne des Wortes den zum Indikativ gewordenen Lauf der Weltgeschichte).

Im Grunde genommen geht die VWI aus philosophischer Sichtweise auf Leibnizens Monadenlehre zurück, weil Leibniz bereits im 17. Jh. über "mögliche Welten" nachdachte und zum Schluss kam, dass wir uns in "der besten aller möglichen Welten" befinden. Wenn man davon ausgeht, dass es auch eine "Hölle" gibt, mag das durchaus zutreffen.

Um zum Eingangsthema zurückzukehren: Was wäre wohl geschehen, wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte? -- In einem multiplen Universum hat der "Führer" den Krieg wahrscheinlich im Konjunktiv sogar gewonnen. Zum Glück aber nicht in der kondensierten Wirklichkeit des Indikativ unserer Biosphäre.

p.s. Ich bin noch eine "Bringschuld" offen, wegen der im Primzahlthread an mich gerichteten Frage "siehst Du eine Lösung bezüglich der Unsymmetrie bei den MQ?". Vergessen habe ich dies nicht, aber ich vermag die Frage nicht zu beantworten. Zumindest gegenwärtig noch nicht.

MfG, herschel




Antworten:


[ Zauberspiegel Wissenschaft Ideenfabrik ]