Wirtschaft: Weltuntergang?


[ Zauberspiegel Wissenschaft Ideenfabrik ]


Geschrieben von Emil am 26. September 2007 13:26:28:

Bernd Niquet, im September 2007


Psychologie der Marktstörung

Es ist eine diffizile Situation, in der wir uns im Moment befinden. Die Nachrichten sind schlecht, doch die Kurse halten sich gut. In England gibt es einen Run auf eine Bank, doch die Aktienmärkte bleiben nahezu unbeeindruckt. Und dann senkt die Notenbank den Zins – und die Märkte jubilieren sogar.

Wer unbedarft ist, könnte jetzt denken, die Krise wäre überstanden. Zwei Dinge sprechen jedoch dagegen. Erstens: Zinssenkungen können Strukturen nicht verändern. Und zweitens: Psychologische Überlegungen zeigen, dass dann, wenn etwas, was vorher verdrängt wurde (wie die Hypothekenkrise), plötzlich herauskommt, der Prozess der Verarbeitung sehr lange dauert und nicht in ein paar Wochen oder Monaten abgewickelt werden kann. Wenn etwas, was lange Zeit nur im Unterbewussten geschlummert hat, plötzlich ans Tageslicht gelangt, dann nagt es und nagt es – und normalerweise kann es nicht bereinigt werden, ohne dass es vorher zu einer heftigen Krise gekommen ist. Das ist bei allem Verdrängten so – bei jedem Menschen und auch beim Markt. Erst muss die richtige Verzweiflung kommen, ehe es wieder besser geht.

Viele Strategen glauben heute, dass kurzfristig das Schlimmste überstanden, mittel- bis langfristig jedoch das bittere Ende nicht mehr aufzuschieben sei. So schreibt beispielsweise der „Smart Investor“, die Phase, die nach dem nächsten Aufschwung anstehe, werde “... alles sprengen, was sich bisher an Wirtschaftsstrukturen aufbauen konnte.“ Man denkt also an den totalen Zusammenbruch.

Emotional kann ich das gut nachvollziehen. Denn wer hat heute nicht das Gefühl, dass die Welt aus den Fugen geraten ist? Alles dreht sich nur noch um mehr Rendite, mehr Geld, mehr Wohlstand – und das alles gelingt auch beinahe auf spielerische Art. Die Märkte steigen und steigen, doch letztlich ist es nur auf Kredit aufgebaut, und das kann nicht ewig gut gehen.

Doch ist ein derartiger Pessimismus tatsächlich angebracht? Ich selbst bin eher auf kurze Sicht pessimistisch als auf lange. In den letzten Wochen arbeiteten die Medien viele schlimmer Ereignisse aus der Vergangenheit auf. Kalter Krieg, RAF, Inflationen – grenzt es nicht an ein Wunder, dass die Welt heute überhaupt noch steht? Sämtliche Bedrohungen, die bis ans Innerste gingen, haben wir relativ gut überlebt. Und jetzt sollen wir nur deshalb zu Grunde gehen, weil die Amis ein paar Schulden aufgehäuft haben? Ist das nicht zu viel Rechenknechterei und zu wenig inneres Weltverständnis?

Als Graf Lambsdorff beispielsweise im Jahr 1982 sein berühmtes Thesenpapier geschrieben hat, wurde er von der Befürchtung geleitet, die 1,5 Millionen Arbeitslose könnten die Demokratie gefährden. Das zeigt klar, wie oft die Menschen extreme Befürchtungen hegen, die sich im Endeffekt jedoch nicht bewahrheiten. Die Wirtschaftsleistung und das Vermögen der Menschen waren weltweit – wie auch in unserem Lande – in der gesamten Geschichte der Menschheit noch niemals so hoch. Warum also soll gerade jetzt die Welt untergehen?








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