Placebo-Effekt


[ Zauberspiegel Wissenschaft Ideenfabrik ]


Geschrieben von Emil am 14. März 2006 17:34:32:

Placebos sind Behandlungsformen ohne spezifischen therapeutischen Wert,
die trotzdem vielen Menschen helfen. Die medizinische Forschung hat ge-
zeigt, daß es den Placebo-Effekt praktisch überall in der Medizin gibt.
Viele therapeutische Erfolge können - ganz abgesehen von der Therapie
oder den Theorien, auf denen sie beruht - zu einem großen Teil auf den
Placebo-Effekt zurückgeführt werden.
Eine zusammenfassende Untersuchung zahlreicher verschiedener
pharmazeutischer Tests hat ergeben, daß Placebos im Durchschnitt
ein Drittel bis zur Hälfte der Wirksamkeit spezifischer Medikamente
erreichen - eine beachtliche Wirkung für Zuckerpillen, die so gut wie
nichts kosten. Aber nicht nur Pillen aus Zucker können als Placebos
Verwendung finden; es gibt auch "Zucker-Chirurgie". Bei Angina pectoris
beispielsweise wird manchmal ein mammakoronarer Bypass gelegt( Ver-
bindung einer Thorax-Arterie mit einem Herzkranzgefäß). Zum Austesten
dieser Methode wurde bei einer Kontrollgruppe von Patienten nur der
äußere Schnitt gelegt, die Operation selbst aber nicht durchgeführt.
Ergebnis: Die Schmerzreduzierung war bei den tatsächlich Operierten
und bei den nur scheinbar Operierten gleich groß. Bei beiden Gruppen
zeigten sich auch physiologische Veränderungen, zum Beispiel eine
Verringerung der negativen T-Zacken im EKG.
Was also sind Placebos? Schon die Geschichte des Wortes ist interessant.
Es stammt aus der Bibel und war im Mittelalter das erste Wort eines Gesangs,
der bei Begräbnisfeiern angestimmt wurde: Placebo domino- "Ich will dem
Herrn gefallen." Später wurde es für bezahlte Trauersänger verwendet, die
(anstelle der Hinterbliebenen) an der Bahre des Toten "Placebos sangen".
Heute haben Placebos einen therapeutischen Zusammenhang, aber ihre
Wirksamkeit hängt auch von Überzeugungen und Erwartungen ab - denen
der Ärzte und Patienten. Am stärksten zeigt sich der Placebo-Effekt bei
Doppelblindversuchen, bei denen sowohl die Patienten als auch die Ärzte
glauben, es werde ein hochwirksames neues Verfahren erprobt. Schätzen
die Ärzte das Verfahren als nicht so effektiv ein, nimmt auch der Placebo-
Effekt ab. Die Methoden wirken also am besten, wenn sie von den Patienten
und den Ärzten für heilkräftig gehalten werden. Das gilt sogar für den um-
gekehrten Fall, daß echte Medikamente als Placebos ausgegeben werden;
wenn Ärzte und Patienten daran glauben, bewirken die Medikamente weniger,
als sie sonst erfahrungsgemäß bewirken können.
Verringerte Erwartung führt zu einem verringerten Placebo-Effekt. Das zeigt
sich an neuen "Wunderdrogen", die zuerst große Hoffnungen wecken. dann
aber die Erwartungen nicht erfüllen können. Hier ein besonders frappierendes
Beispiel aus den fünfziger Jahren:
Bei einem Mann mit Krebs in fortgeschrittenem Stadium zeigte die Strahlen-
therapie keine Wirkung mehr. Er bekam eine einzige Injektion der Experimental-
droge Krebiozen, die von manchen damals als Wunderheilmittel angesehen wurde
(inzwischen aber in Mißkredit geraten ist). Der Erfolg war für den Arzt des Patienten
ein regelrechter Schock; er sagte, die Tumoren "schmelzen wie Schneebälle auf dem
Ofen". Später las der Patient Untersuchungen, die von der Unwirksamkeit des
Medikaments sprachen, und da begann sein Krebs sich wieder auszubreiten. Einer
Eingebung folgend, verabreichte sein Arzt ihm intravenös ein Placebo und sagte
es sei eine "neue, verbesserte" Form von Krebiozen. Wieder schwanden der Krebs
mit kaum glaublicher Schnelligkeit. Aber dann las der Mann in der Zeitung die
offizielle Verlautbarung der American Medical Association: Krebiozen sei völlig
wertlos. Da war es um seinen Glauben geschehen, und ein paar Tage später war
er tot.

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