Ökonomie: Lin Yutang über amerikanische Tugenden


[ Zauberspiegel Wissenschaft Ideenfabrik ]


Geschrieben von Emil am 15. April 2005 12:48:44:

Die drei amerikanischen Tugenden

von Mark Skousen

"Begabte Männer, die sich frei von fremden geistigen Einflüssen schätzen, sind normalerweise die Sklaven irgendeines toten Wirtschaftswissenschaftlers." – John Maynard Keynes (1936)

Vergangene Woche kam ein Leser auf einer Konferenz auf mich zu und sagte "Sie haben wirklich ein Händchen dafür, die profitablen Aktien herauszupicken. Wie machen sie das eigentlich?"

"Es ist ganz einfach", sagte ich und flüsterte ihm "Lin Yutang" ins Ohr.

"Lin Yutang?" fragte er "Ist das ein neues chinesisches Handelssystem?"

"Ich fürchte, nein. Es ist eine Lebensphilosophie."

Er schien fasziniert. Ich fuhr fort, ihm zu erklären, das Yutang ein sehr ungewöhnlicher chinesischer Philosoph und Autor war, der sowohl in China, als auch in den Vereinigten Staaten lebte und der beide Kulturen verstand. Er ist als der Philosoph der "Freizeit" und des "letting go" bekannt. Ich zitierte seinen bekanntesten Satz, einen Satz der die meisten Amerikaner sehr aufregt.

"Der geschäftige Mann ist nie weise, der weise Mann ist nie geschäftig."

Ich habe den Fehler gemacht, diesen Satz an meinem ersten Tag an der Columbia Business School an die Tafel zu schreiben. Ein Drittel der Studenten verließ den Raum oder schied aus dem Seminar aus. [Aber die, die blieben, sagten hinterher, es sei einer der besten Kurse gewesen, die sie je besucht hatten. Ein Student sagte: "Wir sind an der Columbia noch nie in ähnlicher Weise unterrichtet worden."]

Es steckt jedoch etwas Weises in Lins Äußerung. Wenn man zu geschäftig mit der eigenen Arbeit befasst ist, dann hat man keine Zeit mehr, sich mit neuen Ideen zu befassen, neue Wahrheiten zu entdecken, die kleinen Freuden des Lebens zu genießen oder eben auch eine profitable Aktie herauszufischen. Den Markt zu schlagen erfordert, auch die wenig befahrenen Wege abzusuchen und viel Zeit, das zu tun.

Lin Yutang hat die meisten Amerikaner dafür kritisiert, dass sie zu geschäftig waren und dadurch zu sehr der Geschäftskultur und den alten Orientierungen unterworfen. Als Sklaven ihrer eigenen Arbeit machen sie sich Sorgen bis zum Umfallen. In einer anderen aufschreckenden Äußerung schreibt Lin: "Die drei amerikanischen Tugenden sind Effizienz, Pünktlichkeit und der Wunsch nach Leistung und Erfolg. Es sind genau die Dinge, die die Amerikaner so unglücklich und nervös machen." Da schau her, und sie hatten geglaubt, es seien die amerikanischen Tugenden.

Lin fährt fort: "Oh weise Menschheit, schrecklich weise Menschheit! Wie durchschaubar ist die Zivilisation, in der die Menschen sich plagen und abarbeiten und sich graue Haare wachsen lassen, nur um zu leben, und in der sie dabei das Spiel vergessen."

Lin bietet dem Geschäftsmann (dem geschäftigen Mann) das Geheimnis zum Erfolg mit der folgenden Äußerung an: "Tatsächlich merken die meisten Geschäftsleute, die sich rühmen, am Morgen, am Mittag und am Abend in Eile zu sein und drei Telefone auf dem Schreibtisch stehen zu haben, die den ganzen Tag nicht stillstehen, nicht, dass sie die doppelte Menge Geld verdienen könnten, wenn sie sich jeden Tag eine Stunde Einsamkeit im Bett zugestehen würden, vielleicht um ein Uhr am Morgen oder auch um sieben. Dort kann ein echter Geschäftskopf in aller Gemütlichkeit nachdenken, sich über seine Leistungen und Fehler der Vortage Gedanken machen und für das Programm des bevorstehenden Tages das Wichtige vom Unwichtigen trennen.

Lin Yutang ist ein Vorkämpfer des Einzelnen – "mit seiner Unvernunft, seinen unausrottbaren Vorurteile, seiner Launenhaftigkeit und Unvorhersehbarkeit." Aber in der heutigen Gesellschaft ist der freie individuelle Denker durch den Soldaten als Ideal ersetzt. "Anstelle der launigen, unberechenbaren und unvorhersehbaren Individuen werden wir vernünftige, disziplinierte, reglementierte und uniformierte, patriotische Kulis haben, die so effizient kontrolliert und organisiert werden, dass eine Nation von 50 oder 60 Millionen Menschen an das gleiche Credo glaubt, die gleichen Gedanken hat und das gleiche Essen isst." Lin fährt mit einer Warnung fort. "Sicher, zwei unterschiedliche Richtungen stehen der menschlichen Würde offen. Die eine glaubt, dass ein Mensch, der seine Freiheit und Individualität erhält, der edelste Mensch ist, die andere meint, dass ein Mensch, der sein unabhängiges Urteil vollständig aufgegeben hat und sich den Regeln der öffentlichen Überzeugungen und den Meinungen eines Herrschers unterworfen hat, die beste und edelste Sache sei.

Ich kann mir vorstellen, welche von beiden Richtungen auf unsere Leser zutrifft.

Lin lehnt den verbreiteten Trend, Leute in Schubladen einzuordnen, ab. "Wir denken heute nicht mehr an einen Menschen als einen Menschen, sondern als ein Rädchen im Getriebe, eine Mitglied einer Gewerkschaft, einen Kapitalisten, der zu denunzieren ist oder einen Arbeiter, den wir als "Genossen" ansprechen ... Wir sind heute keine Individuen mehr, wir sind keine Menschen mehr, sondern nur noch Kategorien."

Lin Yutang erlebte die Brutalität des chinesischen Kommunismus und die schwerfällige Bürokratie in Washington zur der Zeit des New Deal. Es ist unnötig zu sagen, dass er eine sehr schlechte Meinung von Regierungen hat. "Ich hasse die Zensur und alle Vertretungen und Formen der Regierung, die versuchen, unsere Gedanken zu kontrollieren."

Er hinterfragt auch die Etablierung von Wirtschaftswissenschaftlern und Prognostikern. "Vielleicht verstehe ich nicht genug von der Wirtschaft, aber die Wirtschaft versteht mich auch nicht. Die traurige Sache bei der Wirtschaft ist, dass es sich nicht um eine Wissenschaft handelt, wenn sie bei den Rohstoffen halt macht und nicht über die menschlichen Motive hinaus geht. Es ist immer noch wahr, dass der Aktienmarkt selbst mit der besten Versammlung von wirtschaftlichen Daten nicht wissenschaftlich den Anstieg und Fall von Gold und Silber vorhersagen kann. Ebenso wie die Wetterstationen das Wetter nicht vorhersagen können. Der Grund dafür ist sicherlich in der Tatsache zu suchen, dass ein menschlicher Anteil dazu beiträgt, und dass wenn zu viele Leute ausverkaufen, einige anfangen werden, sich wieder einzukaufen ... Es ist eher eine Darstellung für die Unberechenbarkeit und Launenhaftigkeit des menschlichen Verhaltens. Das gilt nicht nur für die harten Fakten des Geschäftslebens, sondern auch für die gesamte Gestaltung der Geschichte."

Lin Yutang war vermutlich mit der einzigen Wirtschaftslehre, die den menschlichen Faktor mit einkalkuliert, nicht vertraut: Die österreichische Schule nach Ludwig von Mises und Friedrich Hayek. Aus diesem Grund wird das Hauptwerk von Mises 'Human Action' genannt.

Lin Yutang hat sich mit vielen Themen befasst: Mit unserer Kultur und der Frage, wie man ein glückliches und erfüllendes Leben führen kann und in Würde alt werden kann, mit der Notwendigkeit, eine Frau als Gesprächspartnerin zu haben, mit der einzigen Art zu reisen (kaufen sie ein One-Way-Ticket!) und der Frage, warum er ein "Heide" ist. Und nicht zuletzt gibt es auch noch seine kontroversen Ansichten zum Thema Rauchen. Und damit habe ich nur an der Oberfläche dieses großartigen chinesischen Philosophen gekratzt.






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