Dieter Althaus - Modell


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Geschrieben von Fee am 25. November 2007 14:11:25:

Als Antwort auf: Bedingungsloses Grundeinkommen geschrieben von Fee am 15. November 2007 10:09:39:

25. November 2007
http://www.welt.de/wams_print/article1397772/Grundeinkommen_fuer_alle_Eine_machbare_Revolution.html

Grundeinkommen für alle? Eine machbare Revolution

Dieter Althaus ist Ministerpräsident von Thüringen, CDU-Präsidiumsmitglied - und Vordenker einer radikalen Wende in der Sozialpolitik. Hier erläutert er sein Konzept:

Kinderarmut, Altersarmut, Erwerbseinkommen, die nicht mehr existenzsichernd sind, und die Entwicklung hin zu einer Zwei-Klassen-Medizin stärken das Misstrauen in den Bestand der sozialen Sicherungssysteme. Und, was noch schlimmer ist, auch die Akzeptanz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung leidet darunter. Wir Politiker erwecken gerne die Hoffnung, es werde schon alles gut, und alles könne im Prinzip so bleiben, wie es ist. Stimmt das wirklich?

Welche Konzepte verfolgen wir, wenn wir davon sprechen, dass man "die soziale Marktwirtschaft erneuern" müsse? Es ist falsch, nach dem Motto "Die Rente ist sicher" eine nicht vorhandene Sicherheit vorzugaukeln. Es reicht auch nicht aus, nur die Herausforderungen aufzuzeigen, ohne eine konkrete Lösung anzubieten. Mit meinem Vorschlag eines solidarischen Bürgergeldes habe ich vor eineinhalb Jahren ein Konzept eingebracht, das Antworten gibt.

Das solidarische Bürgergeld ist ein bedingungsloses Grundeinkommen von 800 Euro pro Monat für alle Erwachsenen. Das Bürgergeld sinkt mit wachsenden eigenen Einkünften.

Bis zu einem Bruttoeinkommen von 1 600 Euro im Monat fällt keine Einkommensteuer an. Ab einem Bruttoeinkommen von über 1 600 Euro im Monat bezahlt man 25 Prozent Steuern auf seine Einkünfte. Die Steuerschuld verringert sich um das Bürgergeld in Höhe von 400 Euro im Monat.

Ab dem 67. Lebensjahr bekommt jeder bis zu 1 400 Euro monatliche Bürgergeldrente: Zum solidarischen Bürgergeld (800 Euro) kommt eine Zusatzrente (maximal 600 Euro) hinzu. Diese berücksichtigt Verdienst und Lebensarbeitszeit. In der heutigen Rentenversicherung erworbene Ansprüche haben Bestandsschutz.

500 Euro Kinderbürgergeld im Monat bekommen alle Eltern bis zum 18. Lebensjahr ihres Kindes.

Im solidarischen Bürgergeld sind 200 Euro Gesundheits- und Pflegeprämie enthalten.

Die Vorteile der Bürgergeld-Systematik liegen auf der Hand:

Arbeit wird brutto billiger, weil die Lohnzusatzkosten für die Arbeitnehmer ganz und für die Arbeitgeber zur Hälfte wegfallen. Der Sachverständigenrat belegt in seinem Jahresgutachten 2007/2008, dass das solidarische Bürgergeld mit 1,19 Millionen zusätzlichen Vollzeitarbeitsplätzen "zu massiven positiven Arbeitsplatzangebotseffekten" führt. Das solidarische Bürgergeld als Mindesteinkommen macht einen Mindestlohn überflüssig. Anders als der Mindestlohn, der Beschäftigung vernichtet, werden durch das solidarische Bürgergeld mehr Arbeitsplätze geschaffen. Aber auch finanziell haben die Arbeitnehmer von einem Mindesteinkommen mehr als von einem Mindestlohn. Mit einem staatlich festgesetzten Mindestlohn schiebt die Politik die Verantwortung für ausreichende Einkommen an die Unternehmen ab. Wer keine Arbeit hat, geht leer aus.

Man schätzt, dass in Deutschland jährlich circa 60 Milliarden Stunden Erwerbsarbeit und circa 100 Milliarden Stunden Familien- und ehrenamtliche Arbeit geleistet werden. Wenn mit dem solidarischen Bürgergeld nicht nur jede Erwerbsarbeit, sondern auch jede andere Arbeit zu einem existenzsichernden Einkommen führt, wird Arbeit auch umfassender definiert und geschätzt. Manche unproduktive Tätigkeit wird gut bezahlt, viel produktive Arbeit erfolgt unentgeltlich. Mir ist wichtig, dass auch sie existenzsichernd ist.

Millionen Mitbürger, die eigentlich bedürftig sind, erhalten keine sozialen Leistungen, weil sie sie - aus welchen Gründen auch immer (zum Beispiel Scham) - nicht beantragen. Andere erhalten Sozialleistungen, obwohl sie nicht bedürftig sind. Weil es in Abhängigkeit zu den eigenen Einkünften fordert (Einkommensteuer) und fördert (Negativsteuer/Bürgergeldauszahlung), ist das solidarische Bürgergeld bedarfsgerecht.

Das Kinderbürgergeld ist etwa doppelt so hoch wie das jetzige Kindergeld. Es liegt auf der Höhe des von der Bundesregierung im Existenzminimumbericht für 2008 festgesetzten Existenzminimums von Kindern. Kinder sind dann keinem Armutsrisiko mehr ausgesetzt. Die Bürgergeldrente gewährleistet durch das solidarische Bürgergeld eine "Grundrente" und schützt damit vor Altersarmut. Mit der Zusatzrente garantiert sie, dass der Zusammenhang von Alterslohn für Lebensleistung erhalten bleibt. Die Gesundheits- und Pflegeprämie, die jeder erhält, führt dazu, dass alle versichert sind. Eine gute Grundversorgung für alle. Wer mehr will, muss sich zusätzlich versichern.

Mehrere Studien weisen nach, dass das solidarische Bürgergeld umsetzbar und finanzierbar ist. Die Wirtschaftswissenschaftler Thomas Straubhaar und Ingrid Hohenleitner kommen sogar auf ein Plus für die öffentlichen Haushalte von bis zu über 100 Milliarden Euro. Selbst der Sachverständigenrat bescheinigt dem Konzept, dass es prinzipiell umsetzbar und finanzierbar ist.

Ein Grundeinkommen verhindert, dass soziale Ängste geschürt werden. Demagogen haben wenig Chance, wenn jeder weiß, dass niemand unter das soziokulturelle Existenzminimum fällt.

Die soziale Marktwirtschaft setzt auf die Risikobereitschaft des Einzelnen. Das solidarische Bürgergeld stärkt die Bereitschaft, Risiko auch als Chance zu begreifen. Weil man nicht unter das Existenzminimum fällt, wird man eher bereit sein, ein Risiko einzugehen, kreativ zu sein. Statt Zwang und Kontrolle wird durch Vertrauen und Anreiz motiviert. Das solidarische Bürgergeld ist kein Sofa, sondern ein Sprungbrett.

Da - bis auf die SPD - alle im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien Grundeinkommensmodelle diskutieren; da der Sachverständigenrat sich intensiv, kritisch, aber auch differenziert mit diesem Thema auseinandergesetzt hat; da etwa zwei Drittel der Deutschen die Idee befürworten, bleibt das Konzept des Bürgergelds auf der Tagesordnung der Politik. In den Beschlüssen der Bundesdelegiertenversammlung der Grünen von diesem Wochenende sehe ich deutliche Anknüpfungspunkte zum solidarischen Bürgergeld. Und auch zum liberalen Bürgergeld der FDP besteht Kompatibilität. Wir brauchen den Mut zu einer sozialpolitischen Revolution, wenn uns die Zukunft Deutschlands am Herzen liegt.






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