Re: Rettich


[ Zauberspiegel Wissenschaft Ideenfabrik ]


Geschrieben von Assil am 05. Mai 2007 09:44:42:

Als Antwort auf: Rettich geschrieben von Gabi am 13. April 2007 19:51:16:

Der Rettich und der Kegel

Zitat "Die Mutation" von Petscher.

Die Sache ist so: Blicke ich senkrecht auf eine Kreisfläche, dann bilden die nur ausgedachten „Sehstrahlen“ meines „imaginären Auges“ zu den Punkten der Kreislinie einen sogenannten geraden Kreiskegel. Und dieser Kegel ist es, der das Kunststück fertig bringt, aus einem Kreis eine Ellipse zu machen.

Als „Kegel“ bezeichnet man einen Körper der sich aus einer meist kreisförmigen Grundfläche und einem außerhalb dieser Ebene liegenden Punkt S (= Kegelspitze) zusammensetzt. Steht die Gerade, die die Spitze mit dem Mittelpunkt des Grundkreises verbindet, senkrecht auf der Kreisebene, nennt man den Kegel gerade, sonst schief. Die gekrümmte Oberfläche des Kegels nennt man Kegelmantel, die Strecken von der Spitze auf den Grundkreis Mantellinien. Der gerade Kreis-Kegel ist eine „Rotationsfigur“, die sich durch Drehung eines rechtwinkligen Dreiecks um eine ihrer Katheten ergibt. Geometrisch ist der Kegel ein interessantes Gebilde. Seine gekrümmte Oberfläche besteht aus lauter geraden Linien. Denken wir an die Sehstrahlen, so wird es sonnenklar, warum man diese Geraden, die strahlenförmig von der Kegelspitze ausgehen, die „Erzeugenden“ des Kegels nennt. Wie steht es nun mit dieser Verwandtschaft zwischen Kreis und Ellipse? Man braucht, um das praktisch zu erproben, nur einen Rettich zu betrachten, der annähernd kegelförmig und möglichst drehrund gewachsen ist. Schneide ich ihn quer zu seiner „Achse“, also in der Hauptrichtung seines Wachstums, so gibt’s einen Kreis. Sowie ich aber den Schnitt schief führe, erhalte ich eine Ellipse. Das trifft übrigens auch beim Kreiszylinder zu. Man vergleiche nur: Die gerade durchgeschnittene Wurst ergibt einen Kreis; die, wie üblich, schief geschnittene aber mehr oder weniger genaue Ellipsen. Der Kreiszylinder kann nur nach dem Kreis oder nach Ellipsen (oder im Grenzfall nach Rechtecken) geschnitten werden. Ich merke mir also, dass Ellipse und Kreis den „geschnittenen“ Kegel in allen seinen Erzeugenden schneiden. Das heißt, es werden restlos alle Seitengeraden, die ich mir in dem Kegelmantel von der Spitze aus gezogen denken, bei einem Schnitt, der als Schnittfigur Kreis oder Ellipse erzeugt, durchgeschnitten. Und nun machen ich in meinem Bewusstsein ein neues Experiment mit meinem vorhin erwähnten Reißnägeln. Ich dachte sie mir bisher etwa 2 bis 3 cm weit voneinander entfernt nun ziehe ich den rechten heraus und denken ihn mir jenseits aller Unendlichkeit, weiter als die größten von mir denkbare Weltenferne, in meinem gleichermaßen unermesslich lang ausgedachten Reißbrett in der Verlängerung der waagerechten x-Achse eingesteckt. Mit meinem Fadenziehen komme ich dabei natürlich nicht zum Ziel. Denn so viel Zwirn gibt es auf der ganzen Welt nicht, um zu diesem zweiten Punkt zu kommen. Zum Glück brauchen ich aber den Faden überhaupt nicht mehr. Denn die Parallele zur x-Achse ersetzt mir genau die Richtung zu dem von mir in unendlicher Weite gedachten zweiten Reißnagel. Es fragt sich nur, was ich mit dieser „Verbannung“ meines zweiten bei der Ellipse so wichtigen Punktes angerichtet haben. Das ist nicht schwer zu beurteilen. Als ich vorhin statt des einen Reißnagels im Kreismittelpunkt deren zwei nebeneinander in endlich-bequemer Entfernung ins Reißbrett steckte, zog ich den Kreis ein wenig auseinander und erhielten dadurch die Ellipse. Jetzt haben ich das vorhin Begonnene einfach ins Unendliche erweitert und meinem armen Kreis über alle Weltenfernen und Milchstraßenweiten hinaus auseinandergezerrt. Vor mir liegt also dadurch das Endstück einer Ellipse, deren weitaus größter Teil sich irgendwo in dem von mir ausgedachten „Wel y = x2

Und genau so wie die Ellipse ist auch die Parabel eine nahe Verwandte des Kreises. Ein beachtenswerter Unterschied zwischen den beiden leuchtet aber doch auf: Beim Kreis, der ja nur ein Sonderfall der Ellipse ist, spielt das berühmte π eine große Rolle, bei der Parabel jedoch nicht! Ihr Flächeninhalt — da sie unendlich ist, sind nur endliche Teilstücke erfassbar — lässt sich ohne Hilfe dieser transzendenten Zahl direkt angeben! Weiter: Alle Parabeln haben die gleiche Form. Allgemein lautet die Gleichung der Parabel y2 = 2 px. Woraus ersichtlich ist, dass ich hier wieder nur eine einzige willkürlich wählbare Größe habe, nämlich das p, den sogenannten Parameter der Parabel. Alle Kurven, die ich nach der Parabelgleichung zeichne, sind demnach einander ähnlich, so dass ich also nur eine einzige Parabel kennen. Nun noch schnell zur Parabel als Kegelschnitt. Man erhält sie, wenn man einen Kegel so schneidet, dass die entstehende Schnittfläche parallel zu einer Erzeugenden des Kegelmantels dahinzieht. Diese Erzeugende ist ferner die einzige Gerade des Kegelmantels, die von dem Parabelschnitt niemals durchschnitten wird, selbst dann nicht, wenn ich Kegel und Schnittfläche ins Unendliche vergrößere. Noch einen Schritt weiter: Führen ich den Schnitt so, dass die Schnittebene mit der Achse des Kegels parallel läuft, so erhalten ich eine Fläche, die von einer Kurve begrenzt ist, die noch steiler und eleganter als die Parabel dahinzieht. Sie heißt „der Überfluss“ oder die Hyperbel, eine ganz merkwürdige Kurve, mathematisch geradezu die Zwillingsschwester der Ellipse, lediglich durch ein Minuszeichen vor einem Gleichungsglied von dieser verschieden. Die Hyperbelgleichung lautet (in der üblichen Form): (x²/a²) – (y²/b²) =1
Wie man sieht, stimmt sie bis auf das Minuszeichen mit der Gleichung der Ellipse überein. Aber dieses Minuszeichen wirkt hier geradezu wie schwarze Magie. Ich sagte vorhin, dass die sogenannte kleine Achse der unendlich lang geratenen Parabel im Unendlichen liege und unendlich groß sei. Damit ist sie meinem Zugriff entrückt. Aber noch viel weniger greifbar ist die kleine Achse der Hyperbel, denn sie ist dank der verhängnisvollen Rolle des erwähnten Minuszeichens „in das Gespensterreich des Imaginären“ entwischt. Was an der Hyperbel noch verwirrt, ist die Tatsache, dass diese Kurve zwei Äste hat. Sie rühren daher, dass auch ein Doppelkegel, der sich über seine Spitze hinaus weiter verlängert und verbreitert, von der Schnittebene ebenfalls getroffen wird. Und mit der Hervorhebung der Tatsache, dass die Hyperbel, obwohl sie gleich zwei Kegel trifft, im ganzen zwei Gerade der Kegelmäntel nie schneidet, will ich meinen Eilmarsch durch das Gebiet der Kegelschnitte beschließen.

Ist ein wenig lang, aber naja.

mfg
Assil







Antworten:


[ Zauberspiegel Wissenschaft Ideenfabrik ]