Plastiklicht tritt gegen Glühbirnen an


[ Zauberspiegel Wissenschaft Ideenfabrik ]


Geschrieben von Emil am 07. März 2006 18:09:23:


Philips und seine Wettbewerber entwickeln Lampen aus leuchtenden Kunststoffen.

Dietrich Bertram hebt ein fünf mal fünf Zentimeter großes Plastik-Plättchen hoch, drückt einen Knopf - und in seiner Hand wird es hell. „Das Teil ist handgeschnitzt“, sagt der Philips-Forscher, „weit entfernt von der Fließbandproduktion - noch.“ In etwa fünf Jahren will Philips in Aachen eine Pilotfertigung für Leuchten aus Plastik einrichten.

Auslaufmodell Glühlampe - diese Vorahnung löst beim derzeit größten Leuchtmittelhersteller der Welt Investitionen in zweistelliger Millionenhöhe aus. „OLED sind eine Bedrohung unserer existenzsichernden Geschäftsbereiche, daher müssen wir ganz vorn dabei sein“, sagt Bertram. Mit 25 Mitarbeitern - 2006 kommen noch einmal so viele hinzu - forscht er in Aachen an den Leuchtdioden aus organischem Material (OLED).

Philips arbeitet derzeit zusammen mit 23 anderen europäischen Elektronikunternehmen an der Leuchte der Zukunft. Im Programm Olla, das von der EU mit 20 Millionen Euro gefördert wird, wollen sie OLEDs bis 2008 zur Marktreife vorantreiben. Eine weiße Lampe mit einer Lebensdauer von 10 000 Stunden und einer Leuchteffizienz von 50 Lumen pro Watt ist das Ziel dieses Projekts. Derzeit erreichen die Forscher im Labor entweder hohe Lebensdauer oder hohe Effizienz - aber noch nicht beides gleichzeitig.

Doch die Fortschritte sind rasant, es werden immer neue Rekorde aufgestellt. Die Dresdner Firma Novaled hat mit 25 Lumen pro Watt rund die Hälfte des Weges geschafft. Im nächsten Jahrzehnt sollen großflächige, energiesparende Leuchten dann billig herzustellen sein - die Grundvoraussetzung für ganz neue Einsatzmöglichkeiten: leuchtende Tapeten, die sich morgens langsam von Dunkelblau bis Orange färben - „damit das Aufwachen mehr Spaß macht“, sagt Bertram - oder transparente Lampen als Fenster, durch die tagsüber die Sonne scheint und die abends leuchten.

Auch Wettbewerber Osram hat solche Visionen. „So kann man sich im Laufe des nächsten Jahrzehnts den Einsatz vor allem bei Werbungs- und Visualisierungsanwendungen oder der allgemeinen Innenbeleuchtung in Räumen vorstellen“, sagt Marion Reichl, Sprecherin von Osram Opto Semiconductors. Außerdem seien Anwendungen als LCD-Hinterleuchtung und in der dekorativen Beleuchtung wahrscheinlich.

Genährt werden die Visionen von den technischen Eigenschaften der OLEDs. Denn sie leuchten deutlich effizienter als Glühbirnen. Während herkömmliche Leuchten mehr als 90 Prozent des Stroms nicht in Licht, sondern in Wärme verwandeln, verbrennt sich Bertram an seinen OLEDs nicht die Finger. Sie erwärmen sich nur um rund 15 Grad Celsius. Ein weiterer Pluspunkt: OLED-Lampen werden großflächig herzustellen sein, per Druck wie Zeitungen. „Billige Fertigung, beliebige Farben und Dimmstufen, geringes Gewicht, flexible Anpassung, leichtes Recycling“ - so fasst Bertram die Visionen zusammen. Und anders als Stromsparlampen, deren Licht viele als kalt empfinden und die sich daher in Büros, nicht jedoch in Wohnungen durchgesetzt haben, verbreiten OLEDs Gemütlichkeit.

Bislang regten OLEDs die Marktphantasien vor allem im Displaysektor an, wo sie als potenzielle Nachfolger der Flüssigkristalle (LCD) gelten. In Mobiltelefonen schon etabliert, gibt es auch erste Autos mit OLED-Armaturendisplay. Doch großflächige Displays sind selten: Zu teuer ist die hinter der Oberfläche liegende Halbleiter-Matrix, die eine Verbindung schafft zu jedem Pixelpunkt. Eine OLED-Lampe benötigt ein solch hoch exaktes Geflecht plus ausgefeilter Steuerung dagegen nicht - die Kontakte können großflächig aufgetragen werden. Schließlich soll die ganze Fläche, nicht bloß ein Pixel davon erleuchten.

„Im Moment sind wir aber noch mitten in der Forschung und Entwicklung“, sagt Bertram. Vor allem die Lichtausbeute lässt sich noch deutlich steigern - nur 20 Prozent des produzierten Lichts werden abgestrahlt. Der Rest vagabundiert durch die verschiedenen Schichten der Leuchte. Ziel der Forscher von Philips ist daher, die Lampe vom 1,8 Millimeter Dicke abzuspecken auf 1 Millimeter.

Auch Materialforschung ist noch nötig - die Suche nach den optimalen Molekülen für die OLEDs ist noch nicht abgeschlossen. Die größte Aufgabe, ein Molekül für tiefes Blau zu finden. Denn je kürzer die Wellenlänge der Farbe, desto instabiler ist das Material - die bisherigen Moleküle, die unter Strom blau leuchten, leben nicht lange. Langlebige Kandidaten für Rot und Grün, die mit dem Blau weißes Licht ergeben, sind dagegen schon gefunden.

Außerdem sind OLEDs empfindlich gegen Wasser und Sauerstoff. Philips steckt daher Calciumoxid hinter die Elektrode. Der ungelöschte Kalk absorbiert das Wasser. Diese Lösung ist aber aufwendig und teuer. Geforscht wird deshalb an einer alternativen Beschichtung. Auch Staub behindert die Serien-Fertigung. „Wir arbeiten daran, ein Staubkorn so einzuhüllen, dass es keinen Kurzschluss mehr verursacht“, so Bertram.





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