Chefarchitekt bei Sun Microsystems


[ Zauberspiegel Wissenschaft Ideenfabrik ]


Geschrieben von Emil am 21. September 2005 14:57:04:


Chefarchitekt bei Sun Microsystems 13.09.05
Er soll dem Computerkonzern Sun Microsystems wieder auf die Beine helfen. Ein Gespräch mit Andreas von Bechtolsheim.

So sieht Achilles aus: 1,92 Meter, markante Gesichtszüge, große, kräftige Hände, graublondes, volles Haar, hellblaue Augen, Jeans, blaues Hemd und blaue Sandalen. Über der Schulter trägt er eine Tragetasche mit einem Apple-Powerbook, am Gürtel einen Mitarbeiterausweis mit der Nummer 1. „Oh no“, seufzt Andreas von Bechtolsheim. Er mag den Vergleich mit dem Helden aus der griechischen Mythologie nicht. Gezogen hat ihn David Patterson, Professor an der Universität Berkeley und selber ein Computerpionier. Das „Wall Street Journal“ hat ihn gedruckt. Jetzt haftet er. „Alles im Leben ist doch Teamarbeit“, sagt der deutsche Edelmann vom Bodensee. Er steht nicht gern in der Öffentlichkeit. Mit der Presse spricht er kaum. Für die WirtschaftsWoche nahm er sich über zwei Stunden Zeit für ein exklusives Gespräch im Sun-Hauptquartier in Menlo Park im Silicon Valley.

Leuten, die Bechtolsheim kennen, fällt als Erstes seine Bescheidenheit ein, wie normal er geblieben ist, fast schüchtern - „down to earth“ wie die Amerikaner sagen. Wegen seiner zurückhaltenden Art ist Bechtolsheim selbst im Silicon Valley relativ unbekannt. Obwohl er viel erreicht hat: Erfinder, Gründer des Computerkonzerns Sun Microsystems, Google-Wegbereiter, erfolgreicher Investor, Multiunternehmer, Milliardär mit Platz 278 auf der „Forbes“-Liste der 400 Superreichen - kurz, der erfolgreichste deutsche Unternehmer in den USA.

Sun-Chef Scott McNealy beschreibt seinen Chefarchitekten als „Bilderbuchgenie“. John Doerr, einer der prominentesten Wagnisfinanzierer der USA, der einst auch Sun mit Kapital versorgte, schwärmt: „Andy ist ein Genie. Er ist der Ferdinand Porsche des Computerdesigns.“ Der Vergleich mit Achilles passt trotzdem. McNealy hat seinen Ex-Stanford-Kommilitonen im Februar 2004 nach neunjähriger Abwesenheit zurück zu Sun geholt. Ganz im Silicon-Valley-Stil - Sun tauschte Aktien im Wert von 93 Millionen Dollar gegen Bechtolsheims Startup Kealia ein. „Es ist wie nach einem langen Urlaub“, witzelt der Heimkehrer.

McNealy braucht ihn als Vertrauten, als Kampfgefährten, als Helden, um den sich seine Ingenieure scharen können. Denn Sun wird schwer attackiert - von Dell, IBM und Hewlett-Packard. Suns Computer gelten als edel, leistungsfähig und zuverlässig. Teuer - aber das spielte im Internetboom keine Rolle. Als Punkt im Dotcom vermarktete sich Sun, stattete Internetunternehmen mit seinen Rechnern aus, strich im letzten Internetboomjahr 2001 bei einem Rekordumsatz von 18,3 Milliarden Dollar einen Profit von 927 Millionen Dollar ein. Im vergangenen Jahr fiel der Umsatz auf elf Milliarden Dollar. In der Dekade der neuen Bescheidenheit sind preisgünstige Produkte gefragt. Computer mit Intel-Chips, Mittelklasse statt Luxus - am besten von Dell, dem Preisdrücker der Computerbranche.

Seit dem Umsatzsturz kann sich McNealy vor guten Ratschlägen nicht retten, wenn nicht gerade wieder sein Rücktritt gefordert wird. Er hat widerstrebend tausende Mitarbeiter entlassen und die Preise deutlich gesenkt. Das Image vom Edel-Anbieter ist er trotzdem nicht losgeworden. Der Befreiungsschlag, weiß McNealy, kann nur mit einem zündenden Produkt gelingen. Einem, das kein Wettbewerber hat - vor allem nicht die Profitmaschine Dell.

Jetzt glaubt McNealy, solch ein Produkt im Portfolio zu haben. Am vergangenen Montag hat er in New York einen leistungsfähigen und zugleich preiswerten Server enthüllt, mit dem Sun Marktanteile zurückgewinnen will und auf mindestens eine Milliarde Dollar zusätzlichen Umsatz pro Jahr hofft. Bekannt ist der Computer unter dem Codenamen Galaxy, im Silicon Valley wird er mystisch die „Bechtolsheim-Maschine“ genannt.

Die Besonderheit: Der Rechner besteht aus Opteron-Prozessoren mit zwei zentralen, parallelen Recheneinheiten von AMD. Es sind die leistungsfähigsten Prozessoren, die es derzeit am Markt gibt, „bei rechenintensiven Prozessen doppelt so schnell wie vergleichbare Intel-Chips “, sagt Bechtolsheim.

Er steht an einer weißen Tafel in einem Konferenzraum im Sun-Hauptquartier im Silicon Valley und kritzelt mit einem grünen Faserschreiber Kurven und Diagramme. Er mag das - und es bremst seinen rasanten Gedankenfluss. Er spricht Englisch in einem atemberaubenden Tempo - mit leichtem Akzent. Der Sun-Chefarchitekt schließt die Augen, als ob er aus einem fotografischen Gedächtnis Dokumente mit Details hervorkramt und sie zitiert. Es könnte aber auch ein mentales Warnschild sein: „Langsamer reden!“

„Hier“, sagt er und zieht einen großen grünen Kreis um die Wörter AMD, Opteron und Sun, „wir sind die Einzigen, die voll auf AMD setzen.“ Die Prozessoren von Marktführer Intel hat Sun wieder aus dem Programm genommen. Man merkt, dass Bechtolsheim nicht viel von ihnen hält.

„Der Opteron und seine Möglichkeiten haben mich fasziniert“, sagt der Sun-Gründer, dem es Mitte der Neunzigerjahre zu langweilig im Servergeschäft wurde, „weil es kaum noch Innovationen gab“. Den Bauplan für das Kraftpaket hatte sein Schöpfer im Kopf, als er mit 50 seiner Mannen im Februar des vergangenen Jahres zu Sun zurückkehrte. 200 Hardware-Ingenieure haben seitdem an der Bechtolsheim-Maschine gewerkelt, die bis Jahresende noch durch weitere Modelle ergänzt wird.

Bechtolsheim ist mit seinen Gedanken schon weiter, sprudelt über die Zukunft der Computerindustrie. Er spricht von so genannten Mega-Web-Seiten, die alles anbieten - von der Suche im Internet, E-Mail und Online-News bis hin zur Telefonie und Bürosoftware. Als Betreiber sieht er Google oder Yahoo. Der Bedarf an schnellen Computern ist deshalb noch lange nicht gestillt. Und die will Sun jetzt mit seiner Hilfe liefern. Die mit mehreren Prozessoren ausgestatteten Computer sind so kraftvoll, dass auf ihnen jegliche Software laufen kann, egal, mit welchem Betriebssystem - gleichzeitig mit verschiedenen, wenn gewünscht. Die Bechtolsheim-Maschine unterstützt zehn Betriebssysteme, darunter auch Windows von Erzrivale Microsoft - ein Programm, das McNealy vor Jahren nicht mal mit der Kneifzange angefasst hätte.

Sun geht in die Offensive - und tritt mit Winzling AMD gegen die mächtige Allianz von Dell und Intel an, zwei der effektivsten Unternehmen der Welt. Bechtolsheim freut sich auf den Schlagabtausch - er hält seine Maschine für technisch überlegen. Momentan ist das auch so. Doch Intel ist dafür bekannt, schnell zu reagieren. Da hat es schon eine gewisse Ironie, dass es in den Siebzigerjahren ausgerechnet der jetzt ungeliebte Gegner Intel gewesen ist, der Bechtolsheim ins Silicon Valley holte. Einer der vielen glücklichen Zufälle in seinem Leben, die Bechtolsheim als Chance nutzte.

Der Multi-Unternehmer scherzt über sich als „genetischen Unfall“. Seine Eltern sind musisch begabt, niemand hat eine technische Ader in der Familie. Geboren wird er 1955 am Bodensee. Der sechsjährige Andreas entsetzt Vater Heinrich als er dessen Kassettenrekorder fein säuberlich in seine Einzelteile zerlegt. Es ist Anfang der Sechzigerjahre, das Gerät der Marke Telefunken ist teuer. Der Bub verblüfft den Vater, als er seelenruhig das Gerät wieder zusammenbaut. Es funktioniert.

Landesweit bekannt wird sein technisches Talent, als er 1974 den Bundeswettbewerb „Jugend forscht“ gewinnt. Beworben hat er sich in der Kategorie Physik, „weil es da die geringste Konkurrenz gab“. Er sieht den Wettstreit als „jede Menge Spaß und im besten Fall gewinnt man sogar etwas Geld“.

Die Jury überzeugt er mit einem Gerät, das Strömungen per Ultraschall misst und das Ergebnis auf einem Minicomputer ausgibt. Weniger bekannt ist, dass er den Wettbewerb nicht auf Anhieb, sondern erst bei der dritten Teilnahme gewinnt. „Ich lernte jedes Mal dazu“, erinnert sich Bechtolsheim. „Vor allem nicht nur eine Idee zu haben und einen Prototyp zu bauen, sondern auch eine Jury von ihr zu überzeugen.“ Erfahrungen, die ihm später zugute kommen, als er seine Ideen vor Wagnisfinanzierern im Silicon Valley präsentieren muss. Bechtolsheim ist den Erfindern des Wettbewerbs noch heute dankbar. Für ihn ist es eine Art Silicon Valley des deutschen Bildungssystems. „Ich kann junge Leute nur ermuntern, daran teilzunehmen.“

Der Preis öffnet dem Studenten die Welt und allerhand Stipendien. Sein Traumziel ist eine Universität in den USA. Ein Fulbright-Stipendium macht es wahr. Der 19-Jährige wechselt 1975 zum Studium der Elektrotechnik an die Carnegie-Mellon-Universität. Nach Pittsburgh, in die amerikanische Stahlstadt, industriell geprägt, ganz anders als das malerische Zuhause im Luftkurort Nonnenhorn, umrahmt von Obstgärten und Weinhängen. In Pittsburgh entdeckt er das Internet, damals noch ein Wissenschaftsnetz. Und er hört vom Silicon Valley. Es ist 1977. Der erste Heimcomputer, der Apple II, ist gerade vorgestellt worden. Die beste Chance, ins High-Tech-Dorado zu kommen, ist ein Sommerpraktikum beim Halbleiterhersteller Intel. Der Deutsche bewirbt sich, wird akzeptiert und macht sich nach Kalifornien auf. Das Silicon Valley ist damals noch von Feldern und Obstgärten geprägt und war nicht so viel anders als die Heimat am Bodensee. Intel ist schwer zu finden. Die Karte ist nutzlos, die Bowers Avenue hat noch kein Straßenschild.

Direkt hinter Intel ragt die Achterbahn des Vergnügungsparks „Great America“ hervor. Heute ist sie von Häusern verdeckt. „Ich dachte, ein Vergnügungspark hinter dem Unternehmen, nicht schlecht.“ Bechtolsheims Betreuer empfängt ihn mit schlechten Nachrichten. Das Management hat beschlossen, den Campus in Oregon auszubauen. „Hier kannst du nicht bleiben. Aber komm mit nach Oregon, wenn du willst.“ Dazu hat der Praktikant keine Lust. Gerade im gelobten Tal angekommen und dann gleich weiter in die Provinz?

Zum Trost zeigt ihm ein Bekannter aus Palo Alto die Stanford-Universität. Der Freund arbeitet dort als Systemadministrator. Der deutsche Austauschstudent Bechtolsheim hat ihn über das Internet kennen gelernt. Bechtolsheim spaziert über den weitläufigen Campus, genießt die kalifornische Sonne. Am schwarzen Brett entdeckt er einen Zettel. Ein Professor sucht für ein Forschungsprojekt studentische Hilfskräfte als Programmierer - ausgerechnet im Spezialgebiet von Bechtolsheim. Der Sommerjob ist gerettet. Noch heute bereitet es ihm eine diebische Freude zu erzählen, wie er es an die Stanford-Universität geschafft hat. Am Ende des Sommers hätte er eigentlich nach Pittsburgh zurückkehren müssen. Doch sein Stanford-Professor mag ihn und seine Arbeit und weiht den Deutschen in eine wenig bekannte Klausel ein. Man kann unter bestimmten Umständen von einer anderen Hochschule an die Stanford-Universität wechseln. Der Professor kümmert sich, und so kommt Bechtolsheim an die prestigeträchtige Eliteuniversität, die jedes Jahr tausende Bewerber ablehnt. Seine Habseligkeiten schickt ihm ein Freund aus Pittsburgh per Post nach Kalifornien.

Sein Studium finanziert sich Bechtolsheim mithilfe eines waschechten deutschen Mittelständlers. Für die Andron GmbH aus Wasserburg am Bodensee programmiert er Industriesteuerungen und hat eine Vereinbarung ähnlich wie Bill Gates mit IBM geschlossen - für jede verkaufte Maschine gibt es eine Lizenzgebühr, 100 Mark. Die Maschinen verkaufen sich gut. Im Silicon Valley setzt der Deutsche seine unternehmerischen Aktivitäten fort. Er hat die Idee, einen leistungsstarken, leicht vernetzbaren Schreibtischrechner anhand der gerade auf den Markt gekommenen 32-Bit-Chips zu bauen und damit die unförmigen Großrechner zu ersetzen. Von Bechtolsheim lizenziert sein Design an ein Unternehmen, mit mäßigem Erfolg.

Das ändert sich nach einem enthusiastischen Vortrag an der Stanford-Universität. Es ist Frühjahr 1982. Im Auditorium sitzt der Ex-Intel-Ingenieur John Doerr, der mit seinen Investitionen in Amazon.com und Netscape in den Neunzigerjahren zu einem der prominentesten Wagnisfinanzierer der USA aufsteigen wird, und hört dem Doktoranden aus Deutschland aufmerksam zu. „Andy“, sagt Doerr danach, „eine interessante Idee. Warum gründest du nicht ein Unternehmen und nutzt dazu Risikokapital?“ Bechtolsheims Studienfreund Vinod Khosla hat Interesse. Khosla ist wiederum dick mit Scott McNealy befreundet, einem „geborenen Manager“. Als Vierter im Bunde wird Bill Joy von der Universität Berkeley dazugeholt. Der gilt als Softwaregenie.

Übers Wochenende hämmert das Team einen fünfseitigen Businessplan zusammen. Am Montag ist Präsentation, am Dienstag ist das Geld bewilligt, es werden insgesamt 4,5 Millionen Dollar. SUN - Stanford University Network - ist geboren.

Bechtolsheim investiert seine Ersparnisse, 30 000 Dollar. Ein Wagnisfinanzierer versucht ihm das auszureden. „Andy, das ist riskant. Was passiert, wenn dein Geld futsch ist?“ Doch Bechtolsheim will davon nichts wissen: „Welches Risiko?“ Er ist felsenfest überzeugt, dass Wettbewerber wie Digital Equipment (die es schon lange nicht mehr gibt) und IBM gar nicht so schnell auf den Herausforderer reagieren können. Denn der von ihm entworfene Computer ist nicht nur flink und klein. Er kostet nur einen Bruchteil der Maschinen der Konkurrenz. Die können gar nicht, so spekuliert er, über Nacht ihre Preise senken. Denn wegen ihrer hohen Kosten müssen sie entweder Profite opfern oder Leute entlassen. Es ist ironischerweise das gleiche Phänomen, das heute radikale Schnitte bei Sun verhindert.

Der selbstbewusste Jungunternehmer behält Recht. Sun wird ein Erfolg. 1986 geht das Unternehmen an die Börse. 1988 setzt es eine Milliarde Dollar um, zehn Jahre später knapp zehn Milliarden Dollar. Die Gründer sind Multimillionäre. Bechtolsheim muss sich nicht mehr um Geld kümmern. Er geht seinen Hobbys nach - Probleme lösen und Unternehmen gründen. Das Servergeschäft wird ihm Mitte der Neunzigerjahre zu langweilig. Das Telekommunikationsgeschäft ist interessanter.

Er verlässt Sun und gründet 1995 Granite Systems, einem Spezialanbieter für Internet-Netzwerke. Ein Jahr später kauft Cisco für 220 Millionen Dollar das Startup. Von Bechtolsheim sieht das ganz pragmatisch: „Jeder Ingenieur will seine Produkte auf dem Markt sehen und erfolgreich sein.“ Ein Startup mache nur dann richtig Spaß, wenn es entweder ein einzigartiges Produkt besitzt oder einen ganz neuen Markt erschließt. Bei Cisco ist von Bechtolsheim der einzige deutschstämmige Topmanager. 2001 entdeckt er wieder das Servergeschäft und startete Kealia, das er schließlich für 93 Millionen Dollar an Sun verkauft.

Nebenbei investiert er in Startups. Der Dotcom-Boom der Neunzigerjahre geht an ihm vorbei. „Ich habe immer nur in Gebiete investiert, in denen ich mich auskannte und in Ideen, die Probleme lösten.“ Deshalb steckt er sein Geld in Unternehmen, die Software für Chipdesigner entwickeln. Unsexy, so wie das Branchenkürzel EDA, aber gefragt. „Bei den EDA-Unternehmen gibt es keinen Fall, bei dem ich Geld verloren hätte“, sagt er. Von Bechtolsheim investiert in Ideen und Leute. „Ich fühle, wenn Leute von ihrer Idee beseelt sind und etwas verbessern wollen“, sagt er. So beteiligt er sich 1992 am Softwarehaus Star Division des Hamburger Jungunternehmers Marco Börrries, der eine Alternative zum Microsoft-Büropaket Office entwickelt. „Investitionen in gute Ideen sind ungeheuer befriedigend. Nicht nur für die eigenen Finanzen, sondern weil man etwas verändert, im besten Fall für die ganze Gesellschaft.“

So eine gute Idee präsentiert ihm 1998 sein Geschäftspartner David Cheriton. Der Stanford-Professor weiß, dass Bechtolsheim oft klagt, er finde weder auf dem eigenen Computer noch im Internet die gewünschten Dokumente. Cheriton stellt ihm zwei Stanford-Studenten vor, die ihm helfen können. Sie analysieren wie Internetseiten untereinander verlinkt sind und ordnen ihre Suchergebnisse nach Popularität und Renommee der Web-Seiten. Es sind Larry Page und Sergey Brin - die Google-Gründer. Sie brauchen Geld, um einen Prototypen der Maschine zu bauen. Ihre eigenen Kreditkarten haben sie bereits ausgereizt. Bechtolsheim braucht keine lange Erklärungen, außer: „Wie wollt ihr die Suchmaschine finanzieren?“ Durch an das Resultat der Suchergebnisse angepasste Online-Anzeigen, fünf Cent gibt es pro Klick, erwidern Page und Brin.

Fünf Cent, 356 Tage im Jahr, 24 Stunden am Tag, viele Nutzer, viele Suchbegriffe, überschlägt Bechtolsheim im Kopf. „Hm, die können tatsächlich Geld verdienen oder wenigstens keins verlieren, hab ich mir gedacht“, erzählt er und ergänzt unter schallendem Gelächter: „Niemand ahnte damals, dass mal bis zu 100 Dollar pro Klick bezahlt werden würden. 100 Dollar!“ Er schreibt einen Scheck über 100 000 Dollar, schießt später nochmal die gleiche Summe nach. Und er stellt den Kontakt zum Wagnisfinanzierer John Doerr her. Der investiert gemeinsam mit Michael Moritz von Sequoia Capital 25 Millionen Dollar in Google. Der Rest ist Geschichte. „Google war meine beste Investition“, triumphiert Bechtolsheim. Sie ist rund 700 Millionen Dollar wert. „Vor allem hat Google wirklich die Welt verändert.“

Auch die von Bechtolsheim. Das Wirtschaftsmagazin „Forbes“ nimmt ihn in die Liste der Leute mit dem Midas-Touch auf, die Gesegneten, die alles, was sie anfassen, in Gold verwandeln. Da steht auch, dass der Deutsche eine Milliarde Dollar besitzt, in einem winzigen Apartment in Palo Alto lebt und Single ist. Seitdem steht sein Telefon nicht mehr still. Die Gespräche verlaufen oft so: „Hallo, ich habe da eine Idee, die ist noch toller als Google!“ - „Aha!“ Das ist schwierig, denn Bechtolsheim hält Google „für die tollste Idee, die mir je untergekommen ist“. Am Anfang waren die Gespräche noch unterhaltsam, dann zunehmend störend. „Ich habe einfach nicht die Zeit“, erklärt er. Leid getan hat ihm das neulich, als jemand aus Deutschland anrief, der sich um das bessere Vermarkten von universitärer Forschung kümmern wollte.

Seit fast 30 Jahren lebt Bechtolsheim in Kalifornien. Er mag Land und Leute, „weil sie sich aus jeder Krise aufgerappelt haben, Gold-Rausch, Öl, Filme, Flugzeuge, die Computerindustrie, das Internet - immer wieder gab es neuen Aufschwung und Optimismus“. Obwohl seine Antwort auf die Frage, ob er sich als Amerikaner oder Europäer fühlt, überrascht. Fast jeder, der so lange in den USA lebt, würde einen Kompromiss wählen, meist europäisch-amerikanisch oder noch eleganter kosmopolitisch. Bechtolsheim nicht. „Natürlich Europäer.“ Er mag den alten Kontinent, seine Städte. Seine Familie lebt dort. Er vermisst die europäische Kultur, wünscht sich allerdings, die Deutschen hätten etwas von dem grenzenlosen Optimismus der Kalifornier und ihrem Unternehmertum. „Es gibt doch so viele smarte Leute in Europa. Es liegt an den dortigen Strukturen, dass es so viel weniger Startups gibt.“ Er hofft, dass Europa die Möglichkeiten der Stammzellenforschung erkennt. Für ihn ist es die große Chance, mit der sich Kalifornien neu erfinden kann. Glücklicherweise habe Arnold Schwarzenegger das Potenzial der Technologie erkannt - „ein Mann aus Europa“, darauf legt Bechtolsheim Wert.

Jetzt gerät er ins Schwärmen. Am Gymnasium hatte sich Bechtolsheim neben Physik auf Genetik spezialisiert. Bis er erkannte, dass die Branche noch Jahrzehnte brauchen würde. „Heute würde ich in die Gentechnik gehen.“ Er erzählt von regenerierbarer Haut, Haaren, Organen - in atemberaubendem Tempo. Er schließt die Augen dabei und lächelt. Er sieht die Zukunft. Sie scheint schön zu sein. Und interessant.






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